Artikel als Audio Datei
Vor ca. 15000 Jahren hat alles angefangen, die Menschen lernten das aus Samen neue Pflanzen entstehen konnten die als Nahrung dienlich waren. Diese Beobachtung war der Grundstein für Sesshaftigkeit und später für die Landwirtschaft. Es entstanden Siedlungen aus denen die heutige Zivilisation emporgestiegen ist. Dank Saatgut konnten immer mehr Menschen auf diesem Planeten ernährt werden. Aus Jägern und Sammlern wurden Bauern. Die Menschen reichten sich seit jeher den Samen von Hand zu Hand. Biologisch gesehen dürfte das Verteilen von Samen sogar der eigentliche Sinn des Lebens sein, welche Aufgabe sollte der Mensch sonst auf diesem Planeten erfüllen? Viele Lebewesen sind Samenverteiler, die Strategie der Natur ist gelinde gesagt genial. Diese Natur liefert uns Früchte und Erzeugnisse die gut schmecken, und ohne es gezielt zu wollen, trägt jeder Mensch dazu bei, dass Samen von einem Ort zum nächsten kommen. Mich fasziniert diese Tatsache, und sie motiviert mich zu behaupten, dass Gärtnern, und das gewinnen von Samen um neue Pflanzen hervorzubringen, ein Urbedürfnis sein muss. Völlig unbewusst läuft dieser Prozess hinter den Kulissen ab und hat mit der Zeit immer mehr Arten hervorgebracht.
Mittels Selektion, standortbedingter Mutation und Fremdbestäubung entstanden auf natürlicher Weise immer mehr Sorten. Später kamen auch noch moderne Züchtungsformen dazu und sorgten dafür das die Artenvielfalt in Punkto Nutzpflanzen zunahm. Allerdings wurden diese immer unnatürlicher, Chemikalien und Bestrahlung sollten gezielt genetische Eigenschaften beeinflussen, und das taten sie auch.
Wir haben verstanden wie die Prozesse der Natur funktionieren, wir greifen seit hunderten von Jahren ein und kreuzen bestimmte Sorten um neue zu erhalten. Es schien als würde es keine Grenzen geben, doch nach dem Zenit im letzten Jahrhundert folgte das große Artensterben. Betroffen sind nicht nur Insekten, Amphibien oder Vögel, nein, auch unsere vegetative Sortenvielfalt verliert zunehmend. Wo einst tausende Sorten Mais beheimatet waren, werden heute nur noch eine Hand voll Sorten angebaut die wirtschaftlich sein müssen. Der Fokus auf den Ertrag führte gemeinsam mit der Industrialisierung der Landwirtschaft zu einer Bedrohung unserer Artenvielfalt.
Nur noch eine Hand voll Kulturen decken die heutige Welternährung. Reis, Mais, Kartoffeln und Getreide. Es handelt sich dabei um Hochleistungssorten die Teilweise ohne den richtigen Mix an Pestiziden oder synthetischen Dünger schlecht abliefern. Geopfert wurden seltene Sorten die spezifische Eigenschaften hatten und auf bestimmte Bodentypen und Klimazonen spezialisiert waren. Einst hatte jede Familie im Friesenland ihre eigene Kohlsorte, heute sind nur noch wenige erhalten geblieben. Die Verschärfungen der Saatgutverordnung von 1986 hat es den Landwirten verboten ihr eigenes Saatgut zu vermehren. Man wurde gezielt in eine kontrollierte Abhängigkeit von Großkonzernen aus der Agrochemie getrieben. Diese Konzerne haben danach reihenweise die kleinen Saatguthersteller aufgekauft und indirekt ein Monopol entstehen lassen. Das reichte diesen Konzernen nicht, und so führten sie immer mehr Knebel ein um den Markt zu beherrschen. Patente auf Gemüsepflanzen und F1 Hybride sind die Folge. Wenn es nach diesen Konzernen gehen sollte, würden sie den Markt liebend gerne mit genetisch manipuliertem Saatgut komplett in ihre Abhängigkeit bringen. Neue Verfahren wie CRISPR-Cas sollen das ramponierte Image der Genmanipulation Geschichte werden lassen. Es ist der nächste Versuch die Landwirtschaft in ihre Abhängigkeit zu treiben. Wie immer wird das Argument der Welternährung genannt, aber trotz Jahrzehnten der Industrialisierung unserer Landwirtschaft hungern über 800 Millionen Menschen und alle paar Sekunden stirbt ein Kind an den Folgen des Hungers. Wer jetzt glaubt das Gentechnik die Lösung ist, irrt sich, man gewinnt eher den Eindruck das dieser Zustand gewollt ist. Schließlich ist Gentechnik in den USA schon länger erlaubt, die großen Erfolge sind bis heute ausgeblieben, die vielen Versprechungen sind nicht gehalten worden. Wieso soll es jetzt anders enden? Und wieso sollten wir zulassen das Gentechnik den Ökolandbau komplett unmöglich machen wird? Denn das Potential dazu hat sie. Insbesondere Kulturen die sich über Windbestäubung vermehren sind hier in Gefahr, aber auch Gemüsesorten die von Hummeln oder anderen Wildbienen besucht werden könnten durch Kontamination ihren BIO Status verlieren.
Es gab bereits in der Vergangenheit Berichte von Milchkühen die nach der Fütterung mit BT Mais verstorben sind. BT Mais ist Mais der durch Übertragung eines Gens aus einem Bodenbakterium (Bacillus thuringiensis) einen insektiziden Stoff (Bt-Protein) gegen seine Fraßfeinde bildet. Natürlich lieferte die AgroChemie im Nachgang diverse Studien die belegen sollten das nicht der BT Mais schuld gewesen sei, aber was soll man von Studien halten die vom Hersteller in Auftrag gegeben werden? MON810 ist so ein BT Mais, entwickelt wurde er in den 1990er von Monsanto, heute Bayer AG. Die Vergangenheit hat bereits gezeigt das man nur jene Studien veröffentlicht die dem Konzern in die Karten spielen. Unser Ökosystem hat weder Lobby noch finanzkräftige Aktivisten die in der Lage sind umfangreiche Studien zu finanzieren. So bleiben diese Studien oftmals nur eine Seite der Medaille.
Das selbe Spiel erleben wir jetzt aktuell mit Pestiziden wie Glyphosat, der Hersteller hat tausende Studien die belegen das es ungefährlich sei, insofern korrekt angewendet, aber wieso gewinnen in den USA immer mehr Kläger gegen das Bündnis Bayer / Monsanto? Erst vor wenigen Tagen wurde einem Kläger die Rekordsumme von 2,2 Milliarden Dollar zugesprochen. Das ist kein Tippfehler, es ging nicht um ein paar Millionen, sondern der DAX-Konzern wurde auf einen Milliardenbetrag verklagt. Wenn das Produkt so unbedenklich ist wie die Bayer AG gerne behauptet, wieso kann es dann zu solchen Klagen kommen? Und wie konnte es passieren das der beschlossene Glyphosatausstieg in Europa plötzlich vom EU Parlament gestrichen wird, und das Produkt für weitere 10 Jahre eine Zulassung erhalten hat?
Die EU als Steigbügelhalter der AgroChemie
Und wenn wir nun wieder zum Thema Saatgut zurück kommen entpuppen sich Institutionen wie die Europäische Union als Mithelfer dieser Konzerne. Sie stellen über die Saatgutinverkehrsbringung (SaatG)  immer höhere Anforderungen die von kleinen Betrieben nicht mehr erfüllt werden können. Das Saatgutverkehrsgesetz soll die Verbraucher eigentlich vor schlechtem Obst und Gemüse schützen. Leider schützt es viel mehr die Interessen von sehr großen Konzernen, eine Hand voll kontrolliert bereits den Weltmarkt. Das Saatgutverkehrsgesetz in Verbindung mit dem Bundessortenamt ist einer der Gründe für das Schwinden unserer Vielfalt, weil es nicht die Vielfalt schützt, sondern die Wirtschaftlichkeit.
Â
Die Kriterien nach denen die Sortenzulassung erfolgt, basieren nur auf Eigenschaften die für die Industrie Sinn ergeben. Ein gutes Beispiel ist die Transportfähigkeit, aber der Geschmack ist kein Kriterium. Was habe ich allerdings von einer festen roten Tomate die perfekt aussieht und nach nichts schmeckt? Ich glaube, dass hier ein enormer Korrekturbedarf herrscht! Insbesondere alte Sorten die noch mit Geschmack und Nährstoffen glänzen können sollten nicht nur viel stärker geschützt werden, sondern sie gehören auf die Teller der Menschen! Nicht zertifiziertes Saatgut darf nämlich auch nicht für den Erwerbsanbau genutzt werden. Das Bedeutet zum Beispiel das eine Solawi theoretisch nur Saatgut anbauen darf welches in der Liste des Bundessortenamt zugelassen ist. Die Bürokratie schreibt uns also indirekt vor was am Ende überhaupt in der Gemüsetheke angeboten werden darf und letztendlich auf unseren Tellern landet. Ein simples Naturprodukt wie Saatgut wurde durch und durch bürokratisiert und man hört auch nicht damit auf, obwohl die Tatsachen auf der Hand liegen das dies einer der entscheidenden Faktoren ist wieso unsere Artenvielfalt schwindet. Der Widerstand von Saatgutrettern und Hobbyzüchtern führte dazu das eine Amateurlizenz eingeführt wurde, aber auch das ist nichts als ein weiterer Versuch um Kontrolle auszuüben. Saatgutretter und Hobbyzüchter sollten uneingeschränkt das Recht bekommen Saatgut ohne bürokratische Hürden vermehren zu dürfen, auch ohne Amateurlizenzen. Dadurch könnten Einnahmen generiert werden die es den Gärtnern ermöglichen ihre Projekte für den Erhalt alter Sorten am Leben zu halten. Wieso ist es wichtig Geld damit verdienen zu können? Ganz einfach, weil die professionelle und sortenreine Saatgutgewinnung sehr zeitaufwendig ist und ein Stundenlohn von 5-8 Euro aktuell eine Tatsache ist.  Saatguterhalt kann nicht funktionieren, wenn es nur als Hobby oder Liebhaberei betrieben wird. Das ist ein Vollzeitjob und leider ein sehr schlecht bezahlter der sich in einer Grauzone abspielt. Einfach Würdelos!   Saatgut gehört befreit von dieser Bürokratie! Alte Sorten sollten auch ohne eine Zulassung des Bundessortenamt wieder auf die Äcker und die Teller der Menschen.
Samenfestes Saatgut ist ein Segen der Natur
Die Natur hat uns nicht umsonst samenfeste Sorten beschert. Mit dem Wort „samenfest“ bezeichnet man Saatgut das sich problemlos weitervermehren lässt. Genau dieses Saatgut ist für Selbstversorger das A und O, ich empfehle es jedem der einen Garten hat oder auf dem Balkon im Sommer ein paar Tomaten züchten möchte. Samenfest bedeutet, dass ich die Samen aus der Frucht im Folgejahr einpflanze und dasselbe Ergebnis erhalte, insofern es keine Fremdbestäubung gab. Ein F1 Hybrid wäre genau das Gegenteil, die Samen aus Hybriden bringen entweder Typ A oder Typ B der Kreuzung hervor. Ich verzichte auf F1 Hybride, nur samenfeste Sorten kommen in meinen Garten! Da bin ich so strikt und konsequent wie mein Großvater, der mir damals seine 50 Jahre alten Sorten gereicht hat, von seiner Hand in meine, mit der Aufgabe es ihm gleichzutun.
Â
Gut 90% von meinen benötigten Samen als Selbstversorger stelle ich selber her, es gibt Kulturen wo das sehr leicht geht wie bei Tomaten, da reicht ein Schutzbeutel aus um Sortenreinheit zu gewährleisten. Es gibt aber auch Kulturen die erst im zweiten Jahr blühen wie Kreuzkümmel, schwarzer Winterrettich oder Knollensellerie, da muss man schon etwas Einfallsreichtum beweisen, oder das Wissen haben um diese Kultur über den Winter zu bringen damit sie blüht. Ich finde es hoch interessant wie die Pflanzenwelt die eigene Vermehrung sicherstellt. Wer hier experimentiert kann jede Menge dazulernen. Die Tatsache das einige Kulturen mehr Schutz benötigen um nicht fremdbestäubt zu werden, macht das Thema Saatgutgewinnung zu einem spannenden Thema bei dem man ehrlich gesagt niemals auslernen kann.
Â
Der eigene Saatgutanbau hat noch weitere positive Effekte anzubieten, ich habe zum Beispiel festgestellt, dass der im zweiten Jahr blühende Staudensellerie oder enorm viele Insekten anlockt, da ist eine Bienenwiese ein echter Witz gegen. Dasselbe habe ich bei Möhren oder blühenden Artischocken beobachtet. Der absolute Knaller für die kleinsten Wildbienen waren zum Beispiel meine blühenden Linsen, da konnte ich winzige Wildbienen entdecken die ich im Leben zuvor noch nicht gesehen habe. Saatgutgewinnung ist somit auch ein positiver Effekt für unsere gesamte Artenvielfalt. Viele Insekten und andere Lebewesen profitieren davon. Â
Das Herstellen von eigenem Saatgut hat aber noch viel mehr Vorteile. Einer der wichtigsten ist die Anpassung, mit jedem Jahr lernt euer samenfestes Saatgut sich an euren Standort anzupassen. Informationen über die Bodenbeschaffenheit sowie klimatische Bedingungen wandern in die DNA des Samens und optimieren eure Sorten. In Zeiten von Klimawandel und Dürre lernt euer selbst vermehrtes Saatgut mit diesen Bedingungen besser klarzukommen. Das eigenständige Vermehren kann auch weiter ausgebaut werden indem man anfängt Sorten zu kreuzen. Das ist etwas aufwendiger, aber bei manchen Kulturen passiert so etwas von ganz alleine, wie zum Beispiel bei Bohnen. Pflanzt man rote Hartschielen und die schwarze Kugel nebeneinander kreuzen sich die beiden Sorten und man erhält größere schwarze Bohnen mit vereinzelten hellen Punkten. Ich finde das extrem spannend und arbeite jedes Jahr an diversen Experimenten um durch gezielt Zusammenführung neue Sorten hervorzubringen, aber keine dieser Sorten wäre mit diesem Bundessortenamt und dieser Bürokratie legal…es sei denn ich würde zehntausende Euro berappen um die Sorte registrieren zu lassen. Die großen Konzerne haben jede Menge Geld, was auch der Grund ist das die Liste des Bundessortenamt in Zukunft immer mehr Hybride und später gentechnisch veränderte Sorten listen wird. Und nur diese dürfen dann auf die großen Flächen und später in die Supermärkte und auf eure Teller….perfider geht es doch nicht mehr!
Â
Wer verbietet Hundezüchtern das vermehren, verkaufen oder verschenken ihrer Welpen? Da geht es um Lebewesen und der Markt ist weniger reglementiert als der von Samen und Pflanzen. Oder gibt es einen geistigen Eigentümer für Hunderassen? Aus Gründen der Nahrungsmittelsicherheit muss es jedem gestattet werden Saatgut eigenständig vermehren zu dürfen! Insbesondere zum Erhalt alter Sorten die als unwirtschaftlich gelten! Alte und samenfestes Sorten werden immer seltener, aber sie sind es die sich anpassen können, sie lernen mit den Bedingungen des Klimawandels zurecht zu kommen!
Diese Tatsache lässt meine Sorge wachsen das alte samenfeste Sorten immer stärker schwinden werden. Bürokratie und Gesetze haben ihnen die Daseinsberechtigung abgesprochen. Mit jeder Sorte die wir verlieren schwindet auch unsere Innovationskraft, denn die Natur war das Vorbild für viele Erfindungen, und tausende Pflanzen haben uns Wirkstoffe geliefert von denen die Menschheit bis heute profitiert.Â
Â
Hybride und gentechnisch veränderte Sorten verdrängen immer mehr unsere alten samenfesten Sorten, das ist eine Gefahr. Wir brauchen stabile samenfeste Sorten, sie gewährleisten Ernährungssicherheit in schwierigen Zeiten, und genau in diesen befinden wir uns! Die Auswirkungen des Klimawandels haben uns seit mehreren Jahren in Folge Dürren und Starkregen beschert, die Aussichten versprechen keine Besserung. Die Kriege in der Welt nehmen stetig zu. Wer hier glaubt das gentechnisch veränderte Pflanzen und Saatgut die aus Laboren kommen für Ernährungssicherheit stehen ist leichtsinnig! Ohne Labore würde es diese nämlich nicht geben. Würde es morgen einen Blackout geben stünde die Produktion still, was bei samenfestem Saatgut nicht der Fall wäre!
Â
Die Menschen entfernen sich immer weiter von der Natur, und dem Urbedürfnis sich selbst um ihre Nahrung zu bemühen. Es gibt Menschen die nicht wissen wie eine Tomatenpflanze aussieht, aber jeden Tag das ganze Jahr über importierte Tomaten futtern. Vielleicht ist das sogar die Ursache für viele Probleme und die schlechte Stimmung in der Welt. Gärtnern und Gemüseanbau macht ehrfürchtig, die Natur zeigt uns immer wieder das sie am längeren Hebel sitzt und bestimmt ob wir eine Ernte einfahren oder nur mit Erfahrungen die Saison beenden. Aber im Garten zu arbeiten macht uns lebendig, es macht uns zu einem Teil des Ökosystems. Und dieses Ökosystem braucht unsere Stimme, und wir sollten Sie erheben. Samenfestes Saatgut darf nicht in Gesetze gekleidet werden! Saatgut muss frei von Gesetzen sein, weil es die Aufgabe sowie das Potential hat die Menschheit auch in Zukunft zu ernähren!
Â
Comments